#Auf den Spuren des Bären

 

Familienwanderung von Sanzeno zur Wallfahrtskirche und Einsiedelei St. Romedius

„Guckt mal, ein Bär!“ kreischt mein Bruder Leo und zeigt in den dichten Wald. Meine Eltern lächeln milde. Wir pilgern zum Wallfahrtsort St. Romedius in der Nähe von Sanzeno im Nonstal. Als meine Mutter heute Morgen vorschlug, San Romedio zu besuchen, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Doch als sie das „Bärengehege“ erwähnte, hatte sie mich und meinen Bruder in der Tasche.

Also wandern wir nun auf dem Felsenweg in Richtung Kirche. Und tatsächlich: Kurz vor dem Wallfahrtsort erreichen wir ein abgezäuntes, mit Schildern ausgewiesenes Bärengehege. Zwar lässt sich Braunbär Bruno gerade nicht blicken, doch wir sind guter Hoffnung, ihm auf dem Rückweg zu begegnen. Über zahllose Treppen steigen wir hinauf zum Wallfahrtsort, der aussieht wie ein Märchenschloss. Mehrere kleine Kapellen schmiegen sich eng aneinander und sitzen auf einem schwindelerregend hohen Kalkfelsen. Toll! Alles hier erinnert mich an einen Fantasy Film. Mein Vater findet den Vergleich total unpassend. „Echte Steine, frühe Romanik, Mönche – und meine Kinder halten es für Fantasy!“ seufzt er und rollt die Augen. Ich denke, wir sind definitiv in einem anderen Film, meine Eltern und ich.

Dann aber erzählt mein Vater, dass der Eremit Romedius auf einem Bären zum Bischhof von Trient geritten sein soll. Die Geschichte ist spannend. Aber mein kleiner Bruder will zurück zum Spielplatz. Er kündigt an, den Braunbären aus dem Gehege sofort zähmen zu wollen, um gleich zurück zum Hirschen zu reiten. Ich antworte ihm, dass ich mich schon sehr auf mein zukünftiges Leben als Einzelkind freue. Papa lacht, Mama schaut böse. Leo heult triumphierend. Ich werde ihn zähmen. „Aber wie?“ fragt er sogleich kleinlaut. Mal sehen, ob wir Bruno heute noch treffen. Die anderen Kinder im Hotel haben erzählt, dass er sich nur selten jemandem zeigt.