Hochragend und tiefenentspannt im Kajak durch den Canyon auf dem Lago di Santa Giustina

 

Ein Gastbeitrag von Evi Tscholl

Dass sich Kajak von links und rechts lesen lässt, wusste ich schon, bevor ich das erste Mal ein Kajak bestieg. Doch dass es auch wichtig ist, die beiden Seiten nicht zu verwechseln, erfuhr ich, als unsere Paddel einmal richtig aufeinander krachten. Zuhause las ich dann nach und erfuhr, dass das Wort Kajak aus der Sprache der Inuit entlehnt wurde und „einsitziges Männerboot“ bedeutet.

Die kräftigere Person solle im Kajak hinten sitzen, meinte Martina, die ihren neun Anvertrauten das Nötigste für die Ausfahrt auf dem Lago di Santa Giustina erklärte. Bei den vier Pärchen war es bald klar, dass die Männer diesen Platz übernahmen. Nach wenigen Minuten liefen alle Kajaks aus – die neunte Teilnehmerin mit Martina, unserer freundlichen und motivierten Begleiterin. 

Während des Paddelns merkten wir bald, dass der Rhythmus von mir, die ich vorne saß, wichtig war, ebenso wie das gemeinsame Eintauchen, das Absprechen von Lenken und Bremsen, damit wir nicht mit anderen Kajaks zusammenstießen - oder gar an den engen, steil hochragenden Canyon. Wir probierten aus: Links-Rechts-Komandos, Zählen und genaues Hinhören und schon kamen wir in einen besonderen Flow von Ein- und Ausatmen und glitten über das Wasser. Gemächlich und stetig. Wir blickten über das Blaugrün des Sees hinein die die Apfelwiesen, hinüber zum Castel Cles und die Brenta-Dolomiten. All die Fragen oder kleineren Zweifel, die vorher aufgetaucht waren, verflogen. Zu sehr galt unsere Aufmerksamkeit jetzt der harmonisch drehenden Bewegung, dem Spüren von Sonne und Wassers auf der Haut, dem Plätschern und Klatschen der Ruder.

Nach einer guten halben Stunde erreichten wir den Canyon, den der Fluss Noce geformt hat. Er wurde enger und enger. Ein Kajak nach dem anderen folgte Martina. Hier glitten wir langsam weiter und es genügte, dass eine Person paddelte, während die andere nach oben in das Hellgrün der Blätter und Graugrün der frischen Zweige blickte. Ein dumpfes Pochen ertönte, sobald ein Kajak an den Canyon prallte, darauf ein Schmunzeln oder Lächeln. Die in Plastikhüllen eingepackten Mobiltelefone wurden regelmäßig gezückt, für Selfies oder besser gesagt Teamies.

Ein Baumstamm querte den Canyon und ließ uns nicht ganz bis zum Ende kommen. Der Wasserstand sei jetzt auch besorgniserregend niedrig, informierte uns Martina. Es liegt einerseits an den wenigen Niederschlägen im Frühjahr und andererseits an der Stromgewinnung des 1951 eingeweihten Stausees.

Auf dem Rückweg waren nicht nur wir zwei, sondern die ganze Gruppe spürbar ein wunderbares Team geworden. Scherzen lag in der Luft ebenso wie entspanntes Lachen und mehrsprachiges Plaudern. Unsere Shorts und Shirts mehr oder weniger nass. Unsere Haut dank Sonnencreme mit schmeichelndem Teint. Unsere Gemüter entspannt und beglückt. Santa Giustina, die ihre Einsiedelei bei Dermulo nahe dem Stausee hatte, hätte ihre Freude mit uns allen gehabt, die wir so „richtig“ und „gerecht“ (lat. iustus) gemeinsam eine unvergessliche Ausfahrt auf dem Kajak genossen.

 

Photocredits: Hans Isaacson on unsplash

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