#Weihnacht im Gasthof Zum Hirschen

 

Wie war das, die Heilige Nacht vor 30 Jahren? Ich erinnere mich gut. Weihnacht im historischen Gasthof Zum Hirschen, das ist und war auch schon früher etwas ganz besonderes. Hier, in Südtirols letzter Wildnis mit seinen Wäldern und Canyons, im beschaulichen Wallfahrtsort Unsere Liebe Frau im Walde, stand seit jeher das gemeinsame Fest zur Feier der Ankunft des Heilands im Vordergrund. Dabei verweben sich deutsche und italienische Traditionen an diesem Ort an der Kultur- und Sprachgrenze auf wundersam harmonische Weise.

Das alles wusste ich damals noch nicht. Die Gemeinschaft und den Frieden haben wir als Kinder ganz einfach gespürt. Wenn es dunkel war, wurde die Tür zur Veranda im Gasthof geschlossen und die Lichter ausgemacht, „damit das Christkind ungestört die Geschenke unter dem Baum legen und die Veranda für das Fest schmücken kann“. Eine große Spannung, aber auch tiefe Besinnlichkeit ergriff uns Kinder.

In der Zwischenzeit wurde im Kreis der Familie ausnahmsweise früh zu Abend gegessen, denn nach dem Abendbrot ging es zur „Tavolata“, dem reichlich gedeckten Tisch voller Kekse, Punsch nach Hildegard von Bingen und hausgemachten Panettone, mit Freunden, Bekannten und Hausgästen. Bei Kerzenschein und weihnachtlicher Atmosphäre wurde erst Stille Nacht gesungen, gefolgt von einem Gedicht und einer Weihnachtsgeschichte in Nonés-Ladinisch von Opa Nonno Giorgio. Die Spannung war für uns Kinder fast nicht mehr auszuhalten. „Geduldig“ warteten wir darauf, dass die Tür zur Veranda endlich aufging.

Kaum öffnete sich das Tor zum hell erleuchteten Baum, begann der Wettlauf zu den Geschenken. Für alle Generationen. Denn Heilig Abend war für uns immer auch der Geburtstag von Mamma Edith. Bis kurz vor Mitternacht sind wir noch beisammen gesessen, Familie und Gäste, um dann nach altem Brauch die Christmette zu besuchen. Gar manche Nonsberger von abgelegeneren Höfen nahmen einen langen Fußmarsch für die Christmette auf sich, welche krönend ihren Abschluss auf dem Dorfplatz mit Trompetenklängen findet.

Heute findet die Messe für die Kinder am Nachmittag statt. Doch sonst behalten wir unsere lieb gewonnenen Traditionen bei. Noch immer wird die Veranda zugesperrt, wenn es dunkel wird, denn die nächste Generation wartet schon mit Sehnsucht auf die Geschenke. Und natürlich Oma Edith.